Staatsbürger:innenschaft? Es ist genug da für alle.

Die ÖVP hat ein neues Lieblingsthema, die Staatsbürger:innenschaft.
Um damit im Gespräch zu bleiben, veranstaltet die Wiener Landespartei heute sogar ein eigenes Pressegespräch: „Keine [Entwertung] der Staatsbürgerschaft! – Wiener Behördenversagen bei der MA 35“

Die Argumente: Die Regeln für Einbürgerungen sind so wie sie sind „gut durchdacht“, die Staatsbürgerschaft stehe „erst am Ende eines gelungenen [Integration]sprozesses“, und schließlich müsse „wer in Österreich und in Wien leben will, (…) sich auch zu unseren [Werte]n bekennen“.

Staatsbürger:in sein, stellt fix einen gewissen Wert dar, der über die flexible [Mitgliedschaft] im Fitnesscenter hinausgeht.
Man genießt gewisse [Rechte] (Wahlrecht, Vorteile auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt,…) und übernimmt gleichzeitig gewisse [Aufgaben] (in der ÖVP redet man lieber von [Pflichten]). Man könnte vermuten, dass es sich hierbei um das Bemühen um ein respektvolles Miteinander handelt, um das Bezahlen von Steuern, allgemein um das Einhalten gesetzlicher Regeln, also wohl um ein Verhalten, dass wir von allen Menschen erwarten, die sich länger in Österreich aufhalten. Ob eine grundlegende Kenntnis der Geschichte Österreichs oder die Teilhabe am kulturellen Leben verpflichtend ist? Für die Volkspartei steht jedenfalls eindeutig im Pflichtenheft, dass sich neue Staatsbürger:innen „zu unseren Werten bekennen“ müssen.

Was man bei der ÖVP für „unsere Werte“ hält?
Leider finde ich trotz langer Suche keinen Hinweis darauf, was am schwarzen Herzen liegt. Für Generalsekretärin Sachslehner stellt die Staatsbürgerschaft ganz allgemein „ein hohes Gut“ dar. Wer aber auf welche Weise dieses Gut entwertet, wenn der Zugang dazu vernünftiger gestaltet wird, was meine Eltern und ich geleistet haben, um uns eine österreichische Staatsbüger:innenschaft zu verdienen, und welche Werte zu verteidigen sind, kann Sachslehner aber nicht erklären.

Die konservative Haltung ist trotzdem klar:
Willst du dabei sein, dann beweise dich und wir sagen dir, ob wir dich für würdig erachten.

Ein herablassender Zugang, der Menschen eher nicht dazu bewegt, sich zu integrieren (vielleicht liegt dort ja doch nicht so sehr der Fokus der ÖVP), sondern sie eher dazu bringt zu verzweifeln, ob der vielen Hürden. Apropos [Hürden], diese passen gut in das konservative Framing: Du musst springen. Hoch. Dann kannst du dabei sein. [Lockerungen] [eines der schärfsten Einbürgerungsgesetze] sind in dieser Welt nicht vorgesehen. Wozu auch? Warum sollte ich es dir leichter machen, meinem [exklusiv]en Klub beizutreten? In diese Gedankenwelt passt auch die Finanzhürde: Nur wer mindestens netto €1.200 verdient, verdient die Staatsbürger:innenschaft. [Verdienen]? Genau dieses moralisierende Framing ist ein Problem. Wie könnte ich sie mir nur verdienen, diese [Erlaubnis] dazuzugehören?

Schließlich geht es Menschen wohl genau darum: um die Möglichkeit dazuzugehören. Um ein sichtbares Zeichen, angenommen worden zu sein. Willkommen zu sein. Es geht um die Möglichkeit mitzubestimmen. Um ein Mindestmaß an (sozialer) Sicherheit. Um so viele Aspekte eines ganz normalen Lebens. Also insgesamt: um [Integration]. Einbürgerung als Katalysator für die Integration, nennt es Judith Kohlenberger kürzlich auf Ö1. Es geht um Gerechtigkeit. Um Menschen, deren Wollen, deren Kraft und Lebensfreude wir nicht nutzen, solange wir sie mit großer Geste ausschließen.

Ziel muss wohl sein, ein gerechtes Recht zu haben. Klare Regeln, erfüllbare Voraussetzungen, sinnvolle Begleitmaßnahmen. Oder? Grob in diese Richtungen gingen Forderungen der SPÖ: Anspruch auf den Erwerb der Staatsbürgerschaft nach sechs Jahren rechtmäßigem Aufenthalt. Automatische Staatsbürger:innenschaft für in Österreich geborene Kinder, wenn zumindest ein Elternteil fünf Jahre legal im Bundesgebiet aufhältig ist. Auf die geltenden Regeln in Sachen „Selbsterhaltungsfähigkeit“ zu pochen, wie das die ÖVP tut, ist eher weltfremd als konsequent. Strenge und Härte mögen bitte keine Kategorien sein, wenn es um Menschen geht.

Noch eines, liebe ÖVP: Keine Angst, es ist genug für alle da. Staatbürger:innenschaft ist kein beschränktes Gut. Sie wird nicht knapp, wenn man mit ihr großzügig ist. Ob das ein Thema heute beim Pressegespräch ist?

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