EU-Wahl: Wo bleibt der SPÖ noch Platz in den Medien?

[Wahlkampf]
[EU]
[Ö1 Journal]

Herbst 2015. Es war das groß ausgerufene „Duell um Wien„. „Der Wahlkampf für die Wien-Wahl spitzte sich medial und in den Kampagnen auf das „Duell um den Bürgermeister“ zwischen Michael Häupl (SPÖ) und Heinz-Christian Strache (FPÖ) zu„, schreibt orf.at. Dazu immer wieder die Frage: Werden die anderen Parteien in der Auseinandersetzung zwischen Amtsinhaber und selbst ernanntem Herausforderer marginalisiert? Werden sie mit ihren Themen durchkommen?

Das Ergebnis ist bekannt: Trotz Verlusten verteidigt Häupl das Bürgermeisteramt mit knapp 40 Prozent der Stimmen, Strache bleibt 9 Prozentpunkte dahinter und im Nationalrat.

Heute früh im Morgenjournal

Zu Gast ist SPÖ-Chefin Rendi-Wagner.
Moderator Paul Schiefer vermutet, die EU-Wahl könnte auf ein Match zwischen Karas (pro-europäisch) und Vilimsky (EU-äh-kritisch) hinauslaufen. Dann die spannende Frage, die Schiefer im Interview später wiederholen wird: „Wo bleibt da noch Platz für den SPÖ-Kandidaten Andreas Schieder?

Übersetzung: Wer [durchkommt] mit den eigenen Themen, worauf [es sich zuspitzt], entscheidet in diesem Framing nicht die Redaktionskonferenz oder die Chefredakteurin. Es entscheidet sich naturgesetzlich, von alleine, durch Dritte. „Der Wahlkampf spitzt sich medial zu.“

Als old-school-Radiomenschen lässt mich das einigermaßen frustriert zurück. Und mir bleibt der Appell: Was „durchkommt“, worauf „es sich zuspitzt“ mögen JournalistInnen entscheiden. Sie sind die GatekeeperInnen. Und sie mögen derartige Entscheidung niemals den ParteistrategInnen überlassen.

Gewalt. Ein Beispiel aus einer Tageszeitung.

[Gewalt]
[Männlichkleit]
[Medien]
[Sprache]

Die nächste tote Frau.
Die nächste Frau, die von ihrem Ehemann getötet wurde. Wir trauern. Und reden über Gewalt. Über die Ursachen. Über Patriarchat. Über „toxische Männlichkeit“.

Ich habe einen ganz alltäglichen Beitrag gefunden. Zur ganz normalen (bewusst ohne Anführungszeichen) Gewalt im Alltag. Einen Beitrag, in dem ganz bewusst eine Sprache der Gewalt gewählt wird.

"Hass-Duell" in der Zeitung Österreich
„Hass-Duell“ in der Zeitung Österreich

Die kommende EU-Wahl wird völlig willkürlich zum „Hass-Duell“ zwischen ÖVP und FPÖ, zwischen Karas und Vilimsky ausgerufen. Der Begriff „Hass-Duell“ ist frei erfunden und wird dafür gleich dreimal wiederholt, begleitet von „Scharmützel„, „Attacke“ oder „Konfrontation„.
Einfach so. Als absichtliches Stilmittel wird Brutalität gefördert, werden Frames des Krieges aufgerufen. Einfach so.

Und? Normal?
Die Tageszeitung „Österreich“ ist freilich nicht das einzige Medium, das eine gewaltfördernde Sprache verwendet. Auf Ö1 wurde die Tatsache, dass Theresa May am 15. Jänner 2019 keine Mehrheit für ihren Brexit-Deal erhalten hat, mehrfach als „schallende Ohrfeige“ interpretiert. Gewaltsames Framing. Generell bekommt Blut in der Chronik mehr Raum als der verdammt langweilige Friede.

Liebe KollegInnen, liebe JournalistInnen,
bitte!

Machen wir uns gemeinsam dran.
Ändern wir gemeinsam die Sprache in der Berichterstattung. Ändern wir Framing und Fokus.
Wir kommen von der schmerzlich betrauerten alltäglichen Gewalt gegen Frauen nicht weg, wenn wir Gewalt nicht als Gesamtphänomen akzeptieren. Wenn wir nicht auf möglichst vielen Ebenen unser Verhältnis zu Gewalt ändern.

Liebe KollegInnen, liebe JournalistInnen,
bitte!

Trefft eine bewusste Entscheidung für eine einzige andere, neue Formulierung pro Tag. Nur eine einzige.
Geht das?
Danke!

Wie gut gemeinte Interviews Frauen schlecht machen

aus der losen Serie: Framing in den Ö1-Journalen

[Ö1-Journal]
[Frauen]
[Wissenschaft]

Wie schwierig ist es als Frau, Karriere im wissenschaftlichen Bereich zu machen? Diese Frage stellt heute früh das Ö1-Journal um 8. Zu Gast: Sabine Seidler, seit 2011 Rektorin der Technischen Universität Wien.

Noch einmal als Hintergrund: Frames sorgen dafür, dass wir Informationen einordnen können. Frames funktionieren über Verknüpfungen – bestimmten Informationen werden bestimmte Interpretationen zugeordnet. Und je öfter die dazugehörigen neuronalen Verbindungen benutzt werden, desto stärker wird die Verknüpfung, desto leichter denken wir in diesem Frame.

Jetzt zeigt ein aktueller Bericht: Es geht einiges weiter an Österreichs Universitäten, von echter Gleichwertigkeit sind wir aber noch deutlich entfernt.

Meiner Einschätzung nach wäre das Thema gewesen: Wie bringen wir endlich einen ernsthaften Anteil an Frauen in wissenschaftliche Spitzenpositionen. Wo sind die guten Beispiele? Die Redaktion hat sich für den negativen Spin entschieden: Wie schwierig ist es, als Frau Karriere im wissenschaftlichen Bereich zu machen? Und Moderatorin Andrea Maiwald doppelt den Effekt mit ihren Fragen intensiv auf (Kursiv = Zitat Maiwald):

„…aber bei den Spitzenposten tun sich Frauen immer noch schwer“

Frauen tun sich prinzipiell nicht schwer. Frauen sind großartige Wissenschafterinnen. Es sind bewusste Entscheidungen der Politik und der universitären Hierarchien, die Frauen daran hindern, einen fairen und gesellschaftlich höchst sinnvollen Anteil zu übernehmen. Wir verzichten damit auf viel Pozential, auf viel Leistung.

„Der technische Bereich – immer noch eine Männerdomäne“

Der Frauenanteil unter den TU-Studierenden liegt über einem Viertel, Architektur wird mehrheitlich von Frauen studiert. Aber wenn wir das traditionelle Bild noch ein paar mal wiederholen, hat es auch die Letzte begriffen: [Technik] = [Männersache]

„Man hört oft, Frauen trauen sich nicht, sind zu wenig selbstbewusst. Sind Frauen zu feig, um sich um Führungspositionen zu bewerben? Ist da was dran?“

Siehe oben: Frames sind Verknüpfungen. Und Wiederholungen stärken die Frames – auch in der Verneinung („…Frauen sind ja gar nicht feiger als Männer…“). Wenn ich mehr Frauen in Spitzenpositionen haben will, kann ich entweder Männer als feig framen, weil sie keine weibliche Konkurrenz aushalten (wovon ich dringend abrate) oder Geschichten vom weiblichen Mut erzählen.

„Sie sind vor 7 Jahren an die TU Wien gekommen als Rektorin . Wie haben denn die Männer aufgenommen, dass  sie da jetzt eine Frau als Vorgesetzte haben? War das ein Problem für sie?“

Da gibt Rektorin Seidler eine knappe und klare Antwort: Ich bin von Männern gewählt worden.