[Steuer], [Reform] und [Entlastung] – sie spielen unser Lied

Konservative PolitikerInnen und WirtschaftsforscherInnen feiern heute die mediale Berichterstattung: Hörst du? Sie spielen unser Lied…

[Steuer]
[Entlastung]
[Belastung]
[Anspruch]
[Leistung]

Zitate dazu aus dem Ö1-Morgenjournal von heute, 30. April 2019:
„Den Österreicherinnen und Österreichern wird also in Aussicht gestellt, dass sie weniger Steuern zahlen müssen.“ „Wirtschaftsforscher sprechen von einer substantiellen Entlastung.“
Die Kronenzeitung schreibt von einem „Milliarden-‚Geschenk'“.

Hier sind sie, die Schlüsselbegriffe: Wir [müssen] blechen. [Weniger] zahlen = [besser] = [Geschenk]. Eine [Entlastung] muss her.

[Entlastung]
Im medialen und politischen Diskurs werden Steuern nahezu ausschließlich als [Last], als [Belastung] geframet. Von allen politischen Seiten. Der Staat greife den BürgerInnen direkt ins Börsel, manche würden „überproportional belastet“, ein „Entlastungsvolumen“ wird versprochen.

Was keine Rolle spielt, ist der [Gegenwert] meiner Steuerleistung.
Bildung, Forschung, Öffentlicher Verkehr, Straßen, Büchereien, Musikschulen, Spitäler, Mindestsicherung, Kinderbeihilfe, Pensionen,…, für meine Steuerleistung bekomme ich enormen Gegenwert. Ich bekomme gesellschaftlichen Zusammenhalt und soziale Sicherheit.

Diese Leistungen sind (wenigstens teilweise) von uns BürgerInnen, von uns SteuerzahlerInnen finanziert. Wir schätzen diese Angebote, diese Ansprüche und Rechte, wenn wir sie brauchen. Oder wenn wir sehen, dass andere sie in Anspruch nehmen können.

[Anspruch]
Ja, ich finanziere öffentliche Leistungen. Ich bin stolz darauf, dass es derart hochwertige Leistungen in Österreich gibt. Sie sind gemeinschaftlich finanziert, ich empfinde einen persönlichen Anspruch darauf.

[Gegenfinanzierung]
Ob diese Leistungen erhalten bleiben, versteckt sich hinter der Frage nach der [Gegenfinanzierung]. Das Bild dazu ist das des [ehrlichen Kaufmanns]: Der Finanzminister könne nicht mehr ausgeben, als er einnimmt.

Tatsächlich kann der Staat mehr, muss sogar mehr. Die Bundesregierung verwaltet kein Konto sondern ist für das Funktionieren einer Gemeinschaft verantwortlich. Die kleine Gemeindestraße ins letzte Dorf und der Postbus am späten Abend sind betriebswirtschaftlich astreine Verlustgeschäfte. Aber wichtig, wenn wir die bestehende ländliche Struktur erhalten wollen. Investitionen in Bildung steht kein unmittelbarer Gegenwert gegenüber. Forschungsausgaben rechnen sich möglicherweise erst in Jahrzehnten. Trotzdem sind sie unstrittig wichtig.

Wo sind die progressiven Linken?

Auch SozialdemokratInnen, GewerkschafterInnen, KommunistInnen singen das konservative bzw. wirtschaftsliberale Lied. Die BürgerInnen müssen entlastet werden. HÖRT AUF DAMIT! Seid stolz auf unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt. Seid stolz auf das Erreichte. Erzählt euren FreundInnen, warum ihr gerne bereit seid, Steuern zu leisten, euren Teil beizutragen.

Unser Staat, unser Österreich ist eine gemeinsame Leistung. Gemeinsam finanziert, gemeinsam gelebt.

So kann auch das Framing einer echten Steuer*reform* aussehen: Folgende gesellschaftliche Werte und Ziele wollen wir gemeinsam erreichen. Stichworte Klimakollaps, Ökologie, Gemeinschaft, Zusammenhalt. Dazu verschieben wir Teile der Steuerleistung von A nach B. Wir zeigen damit, was uns wichtig ist und was wir als schädlich ansehen.
Eigentlich einfach…

Eilt: [Schlanker Staat]

[schlanker Staat]
[Framing]
[Leistungen]

Weil die Debatte gerade wieder anläuft:

schlanker staat
Ein schlanker Staat ist ein Staat, der nicht mehr viel leisten kann.

Könnt ihr bitte sofort wieder aufhören, das konservative [Framing] vom [schlanken Staat] zu übernehmen? [Schlank] verstehen wir generell als positiv, siehe „Weg mit dem Speck“. Reden wir von dem, was tatsächlich passiert: von einem [geschwächten staat], von einer [bewusst] [geschwächten Gemeinschaft], davon, dass Schwarzblau den Menschen in Österreich wichtige Leistungen und Aufgaben wegnehmen werden.

„Schlanker Staat“ ist ein Schuss ins eigene Knie! „Eilt: [Schlanker Staat]“ weiterlesen

Wir brauchen mehr Neiddebatte!

Anmerkungen zum Framing eines Wahlkampfbegriffs

[Neid]
[Ungleichheit]
[Fairness]
[Chancengerechtigkeit]
[Leistung]

Da ist das Thema also: „Die Mindestsicherung ist ein Prozent des Sozialbudgets. Da wird im Wahlkampf [Neid] geschürt“ , sagt Irmgard Griss im ORF-Gespräch. Georg Bürstmayer ergänzt: „Was dieses eine Prozent dringend braucht, ist eine [Neiddebatte].“

Endlich. Eine [Neiddebatte]! Und ein paar Anmerkungen, wie diese Debatte geführt werden kann:

[Inequality] can be [framed] in multiple ways. [Envy] is one way…“ analysieren die britischen „Psychologists for Social Change„. [Neid] als [Framing] für [Ungleichheit].

[Neid], [Fairness], [Verteilungsgerechtigkeit], [Chancengerechtigkeit]

Die Ebenen auf denen einander [Ungleichheit] und [Neid] begegnen, haben sich auffällig verschoben. Früher galt [Neid] jenen, die (zu) viel hatten. Mitschwingt ein Gefühl von „das steht dem nicht zu„! Wer viel leistet (Hermann Maier, Greta Garbo, Johanna Mikl-Leitner, Luciano Pavarotti), dem steht auch viel zu.

Das Interessante am [Neid]: Je stärker wir uns mit anderen vergleichen, desto höher die Neidgefahr. Wir beneiden vor allem jene, die uns in puncto Alter, Beruf, Umgebung und Lebensart ähnlich sind. Tennisprofis vergleichen sich mit Tennisprofis, Topmanager mit Topmanagern, Schriftsteller mit Schriftstellern. Weil Sie sich nicht mit dem Papst vergleichen, können Sie auf ihn gar nicht neidisch werden.“

Wer etwas leistet, kann sich etwas leisten

Rechte und konservative Parteien – also ÖVP und FPÖ – verschieben diesen Neidfokus. Wer viel Geld hat, viel Besitz und Einfluss, dem steht dieses Vermögen mit absoluter Sicherheit zu. Auch Erben ist [Leistung] (des Erblassers), Kritik daran [kommunistisch]. Relativ neu in unserer Debatte ist die Einschränkung: Wer nicht zu „uns“ gehört, dem steht „das“ nicht zu (die Mindestsicherung, die Sozialhilfe, das Smartphone, die Wohnung, vielleicht sogar das Hiersein).

Konservatives Denken verknüpft Eigentum – auch NEOS argumentieren so – mit den Begriffen Leistung und Fairness. Der Flüchtling, generell der weniger Begüterte hat nichts geleistet. Also ist es unfair gegenüber den anständigen ÖsterreicherInnen, wenn der was bekommt (für das er ja eben nichts geleistet hat).

Mitschwingt: Ich leiste viel Und trotzdem kann ich mir nicht alles leisten. Aber wenigstens leiste ich etwas. Der Flüchtling bekommt nur Geschenke. Flucht ist keine Leistung, die wir honorieren.

Freiheit, Gerechtigkeit oder Fairness sind „essentially contested concepts“ . Sie sind hochabstrakt, es liegt in ihrer Natur, dass sie umstritten sind. Elisabeth Wehling fasst dieses Dilemma in einem Deutschlandfunk-Interview zusammen: „Der eine sagt, das ist gerecht, möglichst viel Freiheit zu geben, sprich wenig Steuern, wenig Regulierung, viel freier Markt, viel Wettbewerb und dadurch eine Optimierung der Leistungsfähigkeit aller. So und der andere sagt: Nein, ich finde, es ist gerecht, Freiheit zu geben, und zwar Freiheit unseren Mitbürgern vor übergriffiger Industrie und vor Not und so weiter und so fort. Und deswegen brauchen wir hohe Steuern und gute soziale Infrastruktur.

Disziplin ist Stärke

Klassisch konservatives [Framing] sagt: [Disziplin] = [Stärke] = [Leistung] = [Erfolg] = [Geld]. Wer nicht über die entsprechenden Mittel verfügt, ist [undiszipliniert] = [schwach] = [erfolglos] = [selber schuld]. Zu viel staatliche Hilfe verdirbt den Menschen.

Ob mir das gefällt? Ob ich daran glaube? Überhaupt nicht. Aber mein Glauben macht dieses Framing nicht weniger real. Und mit dieser Realität umzugehen ist die Kunst. Aus dieser Realität leiten sich auch die abschließenden Folgerungen ab:

  1. Erkenne an, dass dein Gegenüber offenbar einen [Mangel] erlebt. Einen persönlichen, subjektiven Mangel. Für den kann die Asylwerberin nichts. Subjektiv ist er trotzdem real.
  2. Völlig nutzlos ist daher der Verweis darauf, in einem der reichsten Länder der Erde zu leben. Oder gar, dass die Menschheit so reich wie nie zuvor ist. Das macht den subjektiven Mangel nicht kleiner. Aber wahrscheinlich den Zorn größer.
  3. Behalte dir deine Moral. Erkläre deinem Gegenüber nicht, dass sein [Neid] unangebracht ist. Dass es ihm doch viel besser geht als dem Flüchtling oder der allein erziehenden Mutter.
  4. Benutze Worte, die dir am Herzen liegen: [Großzügigkeit], [Beitragen], [für einander da Sein], [Unterstützen].
  5. Rede über deine [Werte], über deine Vorstellung von Gesellschaft: „Ich will, dass es uns allen gutgeht in Österreich. Uns allen. Ja, IHNEN auch! Und ich will, dass alle dazu beitragen können, dass es uns allen als Gesellschaft gut geht. Ja, der Flüchtling soll auch beitragen können.

Auf der Ebene der [Werte] können wir einander begegnen und Gemeinsamkeiten finden. Und wenn wir Gemeinsamkeiten gefunden haben, dann können wir uns an die Strategien zu Umsetzung machen.