Wie herzig ist Rendi-Wagner?

Reden wir unsere eigenen Ideale in den Boden?
Der Framing-Podcast „Denk nicht an einen Elefanten“ zum Nachlesen

[Rendi-Wagner]
[Bierlein]
[Kritik]
[Medien]
[Framing]

Zwei Eindrücke aus den letzten Tagen
Eine Freundin postet auf Facebook: „PRW (Anm.: Pamela Rendi-Wagner) hat schlechte Berater. jetzt macht sie auf herzigsein. das ist zu wenig. Schade.“

Die SPÖ Kärnten twittert: „Warum spricht man von ‚Wahlzuckerln‘, aber nicht von ‚Steuerzuckerln an Großspender‘?“

Zweimal frage ich mich: Warum scheibst du das? Und seitdem und seit vielen Gesprächen mit meiner Frau beschäftigt mich die Frage: Wie schnell reden wir unsere eigenen Ideale in den Boden?

Die Schwäche von Pamela Rendi-Wagner – Warum vergeigt sie ihre Chancen? (Falter, Paywall)
Kern auf Distanz zu Rendi-Wagner: „Hoch gewinnt SPÖ nimmer“ (TT)
Die Demontage der Parteichefin Rendi-Wagner – ist der SPÖ noch zu helfen? (Salzburger Nachrichten)

Ähnliches passiert auch den Grünen – wieder im Falter: Im Artikel „Nur auf der Klimawelle surfen reicht nicht“ verreißt Nina Horaczek die Wiener Landesliste zur Nationalratswahl. Und übersieht dabei die tatsächliche Breite der Liste.

Ja, es ist einfacher, auf vermeintliche Fehler zu schauen und die eigene Enttäuschung raushängen zu lassen. Ja, es ist einfacher zu beklagen, was fehlt, als zu sagen, was man gerne hätte. Ich nehme mich da gar nicht aus. Menschlich verständlich. Politisch heikel.

Ich empfehle Ihnen Derek Sivers.
Der Musiker, Produzent und Entrepreneur beleuchtet in einem TED-Talk wie wichtig unser Verhalten ist, wie wichtig der erste Mensch ist, der auf etwas reagiert: „The first follower is what transforms a lone nut into a leader“. Lassen Sie sich diese 3 Minuten keinesfalls entgehen!

Glaubwürdigkeit und Anziehungskraft entspringen nicht nur der Reaktion des ersten Followers. Meine Vermutung: Pauschal halten wir konservative Frames für glaubwürdiger als progressive Frames. Forderungen der ÖVP oder des Wirtschaftsbundes gelten (Achtung: Medien-Frame) rasch als vernünftig, pragmatisch oder notwendig. Ziele von SPÖ oder ÖGB sind „eine Vision“ oder gleich „linke Träumerei“. Ein Google-Check zeigt: Die Suche nach „övp-forderung“ und „utopisch“ bringt 28.000 Treffer, dieselbe Suche für die SPÖ 48.000 Treffer. Suchen wir nach „pragmatisch“ liegt die SPÖ dafür deutlich hinter der VP.

Zweites Framing-Thema: Wir billigen Aussagen höhere Glaubwürdigkeit zu, wenn sie von einer Autorität stammen. Kanzler > Opposition, Mann > Frau,… Es geht um Macht. Die Glaubwürdigkeit der/s SenderIn verstärkt den Framing-Effekt. Macht hat, wer „die Hosen anhat“, nicht, wer die 1.750 Euro Handtasche trägt.

Womit wir bei Brigitte Bierlein wären:

Chic! Bierlein mit 1.750-Euro-Tasche bei Angelobung (oe24.at)
Stylecheck: Die erste Kanzlerin der Republik punktet mit Klugheit, Kühlheit, Kompetenz und Klasse (Kurier)
Verhandeln wir hier tatsächlich die relevanten Fragen rund um Politik und unsere Übergangsregierung? Unsere „Vertrauensregierung“ (Zitat Van der Bellen)

Sie haben die Chance: Mit der derzeitigen Regierung verändert sich der politische Diskurs nach den vergangenen anderthalb Jahren spürbar und meiner Ansicht nach zum Guten. Ich will diese Veränderung unterstützen. Darum rede ich nicht mehr über Bierleins Kleidung oder Aussehen. Ich widerspreche bei vermuteten „Wahlzuckerln“ (Die Anpassung des Pflegegelds ist schon seit Jahren überfällig, genauso wie ein Anspruch auf ein Monat Vater-Karenz unmittelbar nach der Geburt. Und das Sie mir nicht verniedlichend vom „Papa-Monat“ reden!). Ich unterstütze jene, die eine andere Politik machen (wollen). Machen Sie mit? Die Rolle des/r ersten FollowerIn ist zu haben!

Ergänzung: Einen großen Teil unseres 3. Podcasts widmen wir Strache, Gudenus und jenem Video, indem sie mehr von sich preisgeben, als sie eigentlich wollten. Dazu gibt es einen eigenen Blogpost: Ibiza ist unschuldig!

PS: Hören Sie sich den Podcast an, widersprechen Sie, diskutieren Sie mit. Und abonnieren Sie uns. Danke.

[Steuer], [Reform] und [Entlastung] – sie spielen unser Lied

Konservative PolitikerInnen und WirtschaftsforscherInnen feiern heute die mediale Berichterstattung: Hörst du? Sie spielen unser Lied…

[Steuer]
[Entlastung]
[Belastung]
[Anspruch]
[Leistung]

Zitate dazu aus dem Ö1-Morgenjournal von heute, 30. April 2019:
„Den Österreicherinnen und Österreichern wird also in Aussicht gestellt, dass sie weniger Steuern zahlen müssen.“ „Wirtschaftsforscher sprechen von einer substantiellen Entlastung.“
Die Kronenzeitung schreibt von einem „Milliarden-‚Geschenk'“.

Hier sind sie, die Schlüsselbegriffe: Wir [müssen] blechen. [Weniger] zahlen = [besser] = [Geschenk]. Eine [Entlastung] muss her.

[Entlastung]
Im medialen und politischen Diskurs werden Steuern nahezu ausschließlich als [Last], als [Belastung] geframet. Von allen politischen Seiten. Der Staat greife den BürgerInnen direkt ins Börsel, manche würden „überproportional belastet“, ein „Entlastungsvolumen“ wird versprochen.

Was keine Rolle spielt, ist der [Gegenwert] meiner Steuerleistung.
Bildung, Forschung, Öffentlicher Verkehr, Straßen, Büchereien, Musikschulen, Spitäler, Mindestsicherung, Kinderbeihilfe, Pensionen,…, für meine Steuerleistung bekomme ich enormen Gegenwert. Ich bekomme gesellschaftlichen Zusammenhalt und soziale Sicherheit.

Diese Leistungen sind (wenigstens teilweise) von uns BürgerInnen, von uns SteuerzahlerInnen finanziert. Wir schätzen diese Angebote, diese Ansprüche und Rechte, wenn wir sie brauchen. Oder wenn wir sehen, dass andere sie in Anspruch nehmen können.

[Anspruch]
Ja, ich finanziere öffentliche Leistungen. Ich bin stolz darauf, dass es derart hochwertige Leistungen in Österreich gibt. Sie sind gemeinschaftlich finanziert, ich empfinde einen persönlichen Anspruch darauf.

[Gegenfinanzierung]
Ob diese Leistungen erhalten bleiben, versteckt sich hinter der Frage nach der [Gegenfinanzierung]. Das Bild dazu ist das des [ehrlichen Kaufmanns]: Der Finanzminister könne nicht mehr ausgeben, als er einnimmt.

Tatsächlich kann der Staat mehr, muss sogar mehr. Die Bundesregierung verwaltet kein Konto sondern ist für das Funktionieren einer Gemeinschaft verantwortlich. Die kleine Gemeindestraße ins letzte Dorf und der Postbus am späten Abend sind betriebswirtschaftlich astreine Verlustgeschäfte. Aber wichtig, wenn wir die bestehende ländliche Struktur erhalten wollen. Investitionen in Bildung steht kein unmittelbarer Gegenwert gegenüber. Forschungsausgaben rechnen sich möglicherweise erst in Jahrzehnten. Trotzdem sind sie unstrittig wichtig.

Wo sind die progressiven Linken?

Auch SozialdemokratInnen, GewerkschafterInnen, KommunistInnen singen das konservative bzw. wirtschaftsliberale Lied. Die BürgerInnen müssen entlastet werden. HÖRT AUF DAMIT! Seid stolz auf unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt. Seid stolz auf das Erreichte. Erzählt euren FreundInnen, warum ihr gerne bereit seid, Steuern zu leisten, euren Teil beizutragen.

Unser Staat, unser Österreich ist eine gemeinsame Leistung. Gemeinsam finanziert, gemeinsam gelebt.

So kann auch das Framing einer echten Steuer*reform* aussehen: Folgende gesellschaftliche Werte und Ziele wollen wir gemeinsam erreichen. Stichworte Klimakollaps, Ökologie, Gemeinschaft, Zusammenhalt. Dazu verschieben wir Teile der Steuerleistung von A nach B. Wir zeigen damit, was uns wichtig ist und was wir als schädlich ansehen.
Eigentlich einfach…

Männer – Menschen – Frauen

[TALK YOUR WALK]
[Frauen]
[Macht]
[Gender]
[Framing]
[Frauenvolksbegehren]

Mutterrolle, Kindererziehung, unbezahlte Arbeit, Pflegearbeit, Wahlfreiheit, sexualisierte Gewalt, Gleichbehandlung, Gläserne Decke, Gender Pay Gap, ,… – viele Aspekte des täglichen Lebens legen wir gewohnheitsmäßig unter „Frauenthemen“ ab.

Und dieser „Frauenbereich“ steht einem „Männerbereich“ gegenüber. In diesen Topf gehören Körperkraft, Autos, bessere Bezahlung, das Auswechseln von Glühbirnen, eine gewisse Unfähigkeit in Sachen Kommunikation und Beziehung, Sport und Fernsehen. Oder? „Männer – Menschen – Frauen“ weiterlesen

Re-Framing Politik: Eh alles nutzlos?

[TALK YOUR WALK]
[Politik]
[Optimismus]
[Zalando]

Eigentlich sind ja alle PolitikerInnen nutzlose AbzockerInnen, nicht wahr? Inkompetent, nur wegen ihres Parteibuchs in ihren Ämtern. Und dort bleiben sie hocken, diese SesselkleberInnen. Außerdem kann die Politik eh gar nichts machen. Wird alles „in Brüssel“ entschieden oder von der Globalisierung.

Kennen Sie diese Einschätzungen? In Kommentaren der Online-Medien finden wir sie genauso wie in LeserInnenbriefen oder in den Aussagen vieler PolitikerInnen.

kapow_klJa, auch PolitkerInnen bedienen sich dieses Framings. Und sie beschädigen dabei jedenfalls das gesamte demokratische politische System, manchmal auch sich selbst. „Re-Framing Politik: Eh alles nutzlos?“ weiterlesen

#schwarzblau – Widerstand ist zwecklos!

[Widerstand]
[schwarzblau]
[Politik]
[Framing]

Dezember 2017. Wieder einmal ist in Österreich eine schwarzblaue Bundesregierung angelobt. „Unser aller Widerstand wird wichtiger sein denn je!“, schreibt Attac im aktuellen Newsletter. „Schon Widerstand!jetzt zeichnet sich ab, dass uns in den nächsten Jahren eine Regierung der sozialen Kälte und eine Politik im Interesse von Reichen und Konzernen bevorsteht.“ Ein langer Newsletter. Ohne Perspektive, ohne positive Botschaft. „#schwarzblau – Widerstand ist zwecklos!“ weiterlesen

Klimawandel abgesagt! – Warum wir die Mehrheit nicht hinter dem Ofen hervorholen.

[TALK YOUR WALK]
[Klimawandel]
[Wetter]
[Krise]
[Identity Marker]
[kulturelle Resonanz]

Laut Mikrozensus 2015 sehen ein Viertel aller ÖsterreicherInnen Treibhauseffekt und Klimaveränderung als ihr vordringlichstes Umweltproblem. Auch die dahinter gereihten Probleme haben Klima-Bezug: Steigendes Verkehrsaufkommen, Zerstörung von Natur und Landschaft, zunehmender Energie- und Rohstoffverbrauch. Trotzdem dümpelt die österreichische Klimapolitik unbefriedigend vor sich hin. Der letzte TYW-Abend – Talk your Walk. „Klima – Wen schützen? Was wandelt?“ hat sich mit dem [Re-Framing] der Klimadebatte befasst. Eine Zusammenfassung mit praktischen Konsequenzen.

Noch immer halten zuvielen Menschen die Begriffe [Klima] und [Wetter] nicht klar auseinander. Sie wissen nicht, wie sich „der [Klimawandel]“ auf ihren Alltag auswirkt. Sie sehen die Dringlichkeit des Problems nicht. Ist das Klima doch ganz natürlich Schwankungen unterworfen. Oder etwa nicht? „Wir wollen zwar das Klima – und nicht den Menschen – schützen, finden aber eigentlich, dass es so schlecht nicht ums Klima bestellt ist. Es wandelt sich halt – ganz angenehm. Die Erde erwärmt sich. So wenig dringlich, ja geradezu positiv diskutieren und begreifen wir die globale Klimakrise“, schreibt Elisabeth Wehling. Schon 1983 haben Geier Sturzflug gesungen „Besuchen Sie Europa, solange es noch steht“ und 35 Jahre später steht es doch tatsächlich noch…

...da leugne ich lieber den Klimawandel!
…da leugne ich lieber den Klimawandel!

Diese skeptischen Menschen – und sie sind viele! – erreichen wir offenbar nicht, wenn wir wie bisher über die bevorstehenden Veränderungen reden. Vielleicht erreichen wir sie, wenn wir über das Wetter reden. Über drohende schwere Wetterverschlechterungen reden oder über mögliche konkrete Konsequenzen, über eine [Klimakrise]. So kann das abstrakte Konzept Klima begreifbar gemacht werden. George Lakoff thematisiert dieses Problem in einem NPR-Interview: „Global warming applies to climate, not weather, and most people don’t think of the difference, and so you shouldn’t be talking just about global warming. You should be talking about the climate crisis.“

Klimawandel ist dabei mehr als eine wissenschaftliche Tatsache. Auch in Österreich beginnen wir die Auswirkungen zu spüren. Wir lernen neue Vokabel wie „Starkregenereignis„. Wir müssen erhöhte Sterberaten während der großen Sommerhitze hinnehmen. Und wir tragen über unser Einkaufs- oder Mobilitätsverhalten dazu bei. JedeR von uns beeinflusst das Wetter, die Klimakrise ist bei uns angekommen.

Unsere gemeinsame Aufgabe jetzt: Wir müssen aus der wissenschaftlichen Tatsache eine soziale Tatsache, eine gesellschaftliche Wahrheit machen. Dazu brauchen wir konkrete, nachvollziehbare, lokal verankerte Erzählungen. Aufgebaut auf [Identity Markers] der jeweiligen Zielgruppe. Österreich und überflutete Karibik-Inseln? Keine Chance. Fluchtbewegungen und Globaler Temperaturanstieg? Relevant – aber nicht mehrheitsfähig.

Planeten-Witz by Fareus
Planeten-Witz by Fareus

Wir brauchen einen Wechsel vom abstrakten Schutz des Planeten zum konkreten Schutz der Menschen. Nutzen wir die Tatsache, dass Menschen gerne beitragen. Dass sie mit Freude bereit sind, sich für eine gute Sache einzusetzen. Dass viele Menschen stolz darauf sind ÖsterreicherInnen zu sein. Machen wir den Kampf gegen die [Klimakrise] zu einer Angelegenheit, die für Österreich zwingend logisch ist. Als etwas, worauf wir gemeinsam stolz sein können!

Ein Report der Royal Society of Arts empfiehlt unter anderem: „Refocus the debate away from the existence of problems towards competing ideas about solutions.“ Da kann Österreich Einiges beitragen!

Ein guter Frame erzeugt [kulturelle Resonanz], auf deutsch: er sagt den Menschen etwas, das nicht erklärt werden muss. Er setzt auf vertraute, verinnerlichte, nachvolziehbare Assoziationen. Greenpeace hat im Juni 2017 versucht, die Freiheitsstatue als Unterstützerin zu gewinnen.

Greenpace-Aktion zur Klimakrise
Greenpace-Aktion zur Klimakrise

Das Ziel: Die G7-Staaten zu mehr Klimaschutz zu bewegen, trotz Präsident Trumps Drohungen. Als Bild, als [visueller Frame] funktioniert das tadellos. Zumindest in den USA. Wichtig ist aber gerade hinter einem funktionierenden Bild auch die funktionierende Erzählung. Wer sieht sich selbst schon auf einem schmelzenden Gletscher? Auf einem Eisberg in der Antarktis? Kann der durchschnittliche US-Bürger, die ganz normale Österreicherin die Probleme einer versinkenden Pazifik-Insel nachvollziehen?

Gehen wir gemeinsam in eine neue Richtung. Werden wir eindringlicher in unserem Reden und Argumentieren:

  • Wir stehen vor einer Krise.
  • Einer Klimakrise, die ganz konkret hier bei uns zu Wetterkrisen führen wird.
  • Und wir können gemeinsam etwas dagegen tun.
  • Die Lösungen liegen auf dem Tisch.
  • Es ist notwendig und selbstverständlich, dass Österreich als von der Natur dermaßen begünstigtes Land sein Bestes tut sich dieser Krise entgegenzustellen.
  • Lokal, national und international.

Worauf warten wir?

Mist. Die ÖVP hat den falschen Obmann gewählt

[Sebastian Kurz]
[Christian Kern]
[Re-Framing]
[Politik]
[Neuwahlen]

Das ÖVP-Präsidium hat also blöderweise den falschen Obmann gewählt – und muss sich das ausgerechnet von dem Mann sagen lassen, der den Chefposten gerade erst am 14. Mai übernommen hat.

Ausgerechnet Sebastian Kurz erklärt heute vor dem Ministerrat, dass er Wolfgang Brandstetter als neuen Vizekanzler vorschlage. Die Begründung: Der Justizminister sei ein anerkannter Mann, der in keine einzige koalitionsinterne Streiterei verwickelt gewesen sei und der in der Lage sei, das erst im Jänner vereinbarte Arbeitsprogramm mit der SPÖ zu erledigen.

Wie bitte?

Wenn Brandstetter diese Fähigkeiten hat, wozu sollten wir dann überhaupt die Nationalratswahl vorziehen? Was sollte diesen großartigen Mann dann hindern, mit Kanzler Kern und der SPÖ auch weitere gemeinsame Projekte zu definieren und umzusetzen? Warum hat die ÖVP-Spitze dann nicht Wolfgang Brandstetter zum Obmann gemacht? Warum hat sich die Bundes-ÖVP dann weitgehend entmachtet? Warum ist Sebastian Kurz jetzt Wiki und die starken ÖVP-Männer in Personalunion?

Die traurige Erklärung: Weil es der Volkspartei nicht um produktives Arbeiten in der Koalition geht. Das ist die einzige mir nachvollziehbare Erklärung dafür, warum Mitterlehner weg, Sobotka noch immer im Amt und Kurz an der Parteispitze ist. Kurz ist kaum verschleiert als Wahlkampf-Obmann gewählt worden. Als einer, der eine weitere Beschädigung des politischen Systems in Kauf nimmt, in der Hoffnung auf kurzfristigen Gewinn für seine Partei.

Beschädigung des politischen Systems?

Würden wir unsere Welt rein faktenbasiert erleben, wäre eine Koalitionskrise egal. In eine Sackgasse geraten – ein neues Parlament wählen – weiterarbeiten – Hakerl drunter. So funktioniert die Welt aber nicht. Vorgezogene Wahlen sind ein Ausdruck davon, dass Politik nicht mehr weiterkommt. Dass Politik gescheitert ist. Und bei Menschen, die ohnehin an der Lösungskompetenz des Parteiensystems zweifeln, bestärkt das Geschehen der letzten Wochen den Frame [Politik] ist doch nur [Streit] und einander [Hackeln ins Kreuz] werfen. „Die“ kommen schon wieder einmal nicht weiter. „Es muss sich was ändern“!

Ja, es muss sich „was ändern“, nämlich Stil und Amtsauffassung in der Spitzenpolitik! Es muss sich unser Über-Politik-Reden ändern. Aufgabe von Politik ist nicht bloß das mühsame Bohren etc., das ist nur eine von vielen möglichen Metaphern, einer von vielen möglichen Frames. Wir brauchen ein Re-Framing hin zu [Politik] ist [Lösungen finden], [Politik] ist [ernsthaft Arbeiten]. [Politik] ist viel zu [wertvoll] für taktische Spielchen. Die mögen andere machen.

NEOS und Grüne sind wie zu erwarten in genau diese Falle getappt. Schon wieder.

Mit Verlaub und bei allem Respekt vor Peter Pilz: Der Eurofighter-Ausschuss ist in diesen Tagen nicht das allerdringendste Problem. Die Bundesregierung muss nicht weiterarbeiten, damit der Ausschuss nicht „abgedreht“ wird, sondern eben weil wir Politik machen, um Lösungen für die wichtigen Themen in Österreich und auch drum herum zu finden.

Wieder einmal haben NEOS und Grüne es verabsäumt, Politik und Regierungsarbeit als wichtiges Element unserer Gesellschaft zu framen. Oder habe ich nur überhört, dass Eva Glawischnig und Matthias Strolz in Interviews mit Stolz die Position vertreten haben: Politik ist viel zu wichtig, eine viel zu wesentliche Aufgabe, als dass wir sie von Sebastian Kurz kaputt machen lassen. Kurz will nicht mehr weiterarbeiten. Gut. Christian Kern will weiterarbeiten. Gut! Wir sind dabei. Über die Details werden wir später verhandeln. Aber wir machen Politik. Das heißt, wir widmen uns den echten Themen, nicht den internen Problemen einer Partei! Ihre Krisen möge sich die ÖVP mit sich selbst ausmachen, da brauchen wir nicht mitzugehen.“ Die FPÖ framet natürlich nicht so. Sie lebt ja von der Beschädigung des Politischen Systems. Ergo: Dass SPÖ, NEOS und Grüne jetzt für vorgezogene Wahlen eintreten, nützt nicht jenen, die ernsthaft Politik machen wollen, sondern dem, was Kurz und die ÖVP wollen.

Sebastian Kurz wird im August übrigens 31. Seit 2011 hat er eine Regierungsfunktion. Zuerst Integrationsstaatssekretär, seit 4 Jahren ist er Außenminister. [Kurz] ist also längst nicht mehr [jung], [neu] oder [unverbraucht]. Wer heute noch seine angebliche Jugendlichkeit kritisiert, unterstützt die absurde Annahme, hier käme jemand, der frischen Wind brächte. Hören wir auf damit!