Mist. Die ÖVP hat den falschen Obmann gewählt

[Sebastian Kurz]
[Christian Kern]
[Re-Framing]
[Politik]
[Neuwahlen]

Das ÖVP-Präsidium hat also blöderweise den falschen Obmann gewählt – und muss sich das ausgerechnet von dem Mann sagen lassen, der den Chefposten gerade erst am 14. Mai übernommen hat.

Ausgerechnet Sebastian Kurz erklärt heute vor dem Ministerrat, dass er Wolfgang Brandstetter als neuen Vizekanzler vorschlage. Die Begründung: Der Justizminister sei ein anerkannter Mann, der in keine einzige koalitionsinterne Streiterei verwickelt gewesen sei und der in der Lage sei, das erst im Jänner vereinbarte Arbeitsprogramm mit der SPÖ zu erledigen.

Wie bitte?

Wenn Brandstetter diese Fähigkeiten hat, wozu sollten wir dann überhaupt die Nationalratswahl vorziehen? Was sollte diesen großartigen Mann dann hindern, mit Kanzler Kern und der SPÖ auch weitere gemeinsame Projekte zu definieren und umzusetzen? Warum hat die ÖVP-Spitze dann nicht Wolfgang Brandstetter zum Obmann gemacht? Warum hat sich die Bundes-ÖVP dann weitgehend entmachtet? Warum ist Sebastian Kurz jetzt Wiki und die starken ÖVP-Männer in Personalunion?

Die traurige Erklärung: Weil es der Volkspartei nicht um produktives Arbeiten in der Koalition geht. Das ist die einzige mir nachvollziehbare Erklärung dafür, warum Mitterlehner weg, Sobotka noch immer im Amt und Kurz an der Parteispitze ist. Kurz ist kaum verschleiert als Wahlkampf-Obmann gewählt worden. Als einer, der eine weitere Beschädigung des politischen Systems in Kauf nimmt, in der Hoffnung auf kurzfristigen Gewinn für seine Partei.

Beschädigung des politischen Systems?

Würden wir unsere Welt rein faktenbasiert erleben, wäre eine Koalitionskrise egal. In eine Sackgasse geraten – ein neues Parlament wählen – weiterarbeiten – Hakerl drunter. So funktioniert die Welt aber nicht. Vorgezogene Wahlen sind ein Ausdruck davon, dass Politik nicht mehr weiterkommt. Dass Politik gescheitert ist. Und bei Menschen, die ohnehin an der Lösungskompetenz des Parteiensystems zweifeln, bestärkt das Geschehen der letzten Wochen den Frame [Politik] ist doch nur [Streit] und einander [Hackeln ins Kreuz] werfen. „Die“ kommen schon wieder einmal nicht weiter. „Es muss sich was ändern“!

Ja, es muss sich „was ändern“, nämlich Stil und Amtsauffassung in der Spitzenpolitik! Es muss sich unser Über-Politik-Reden ändern. Aufgabe von Politik ist nicht bloß das mühsame Bohren etc., das ist nur eine von vielen möglichen Metaphern, einer von vielen möglichen Frames. Wir brauchen ein Re-Framing hin zu [Politik] ist [Lösungen finden], [Politik] ist [ernsthaft Arbeiten]. [Politik] ist viel zu [wertvoll] für taktische Spielchen. Die mögen andere machen.

NEOS und Grüne sind wie zu erwarten in genau diese Falle getappt. Schon wieder.

Mit Verlaub und bei allem Respekt vor Peter Pilz: Der Eurofighter-Ausschuss ist in diesen Tagen nicht das allerdringendste Problem. Die Bundesregierung muss nicht weiterarbeiten, damit der Ausschuss nicht „abgedreht“ wird, sondern eben weil wir Politik machen, um Lösungen für die wichtigen Themen in Österreich und auch drum herum zu finden.

Wieder einmal haben NEOS und Grüne es verabsäumt, Politik und Regierungsarbeit als wichtiges Element unserer Gesellschaft zu framen. Oder habe ich nur überhört, dass Eva Glawischnig und Matthias Strolz in Interviews mit Stolz die Position vertreten haben: Politik ist viel zu wichtig, eine viel zu wesentliche Aufgabe, als dass wir sie von Sebastian Kurz kaputt machen lassen. Kurz will nicht mehr weiterarbeiten. Gut. Christian Kern will weiterarbeiten. Gut! Wir sind dabei. Über die Details werden wir später verhandeln. Aber wir machen Politik. Das heißt, wir widmen uns den echten Themen, nicht den internen Problemen einer Partei! Ihre Krisen möge sich die ÖVP mit sich selbst ausmachen, da brauchen wir nicht mitzugehen.“ Die FPÖ framet natürlich nicht so. Sie lebt ja von der Beschädigung des Politischen Systems. Ergo: Dass SPÖ, NEOS und Grüne jetzt für vorgezogene Wahlen eintreten, nützt nicht jenen, die ernsthaft Politik machen wollen, sondern dem, was Kurz und die ÖVP wollen.

Sebastian Kurz wird im August übrigens 31. Seit 2011 hat er eine Regierungsfunktion. Zuerst Integrationsstaatssekretär, seit 4 Jahren ist er Außenminister. [Kurz] ist also längst nicht mehr [jung], [neu] oder [unverbraucht]. Wer heute noch seine angebliche Jugendlichkeit kritisiert, unterstützt die absurde Annahme, hier käme jemand, der frischen Wind brächte. Hören wir auf damit!